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Verdichtung der Gesetzeslage zur Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit

 
 

mehr als eine Floskel

Das Thema „Sorgfalt in der Lieferkette“ hat in den vergangenen Jahren erheblich an Relevanz gewonnen. Bei Gesprächen mit Stakeholdern wird zunehmend auch über Umwelt und Menschenrechte gesprochen. Begriffe wie Sorgfaltspflichten, Risikomanagement, faire Lieferketten, Verhaltenskodex und Maßnahmen sind immer öfter zu hören.

War 2010 gerade einmal ein Gesetz zur nachhaltigen Unternehmensführung zu berücksichtigen, so sind es heute je nach Unternehmenssitz und Geschäftstätigkeit dreizehn – Tendenz steigend! Selbst wenn Unternehmen nicht direkt von der Gesetzeslandschaft betroffen sind, werden sie meist indirekt durch die Weitergabe der Anforderungen vom Kunden in Verantwortung gezogen.

Unter anderem werden die Implementierung und Überwachung von Risikomanagementsystemen für die Lieferkette und deren Dokumentation durch die Gesetze verpflichtend. 

EU-Taxonomie
Zur Erfüllung des großen Ziels des EU Green Deals, bis 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen auf Null zu reduzieren, muss in ökologisch nachhaltige Aktivitäten investiert werden.

Die Taxonomie bildet dabei das Klassifizierungssystem und stellt mit den sechs Umweltzielen den Kriterienkatalog zur Definition von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten. Inwiefern Unternehmen taxonomiekonform agieren, müssen sie in ihrem nichtfinanziellen Bericht (siehe CSRD) offenlegen.
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Als Teil des Lageberichts sind Unternehmen, die unter die CSRD fallen, verpflichtet, einen nichtfinanziellen Bericht prüfen zu lassen und zu veröffentlichen. Dieser Bericht deckt die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ab.

Im Vergleich zur vorherigen Richtlinie (der NFRD) stehen bei der CSRD zudem die Pläne zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und das Due Diligence-Verfahren der Unternehmen im Fokus.
Ökobilanzierungen
Für Unternehmen wird es immer wichtiger, eine Ökobilanzierung durchzuführen. Die ESG-Daten (Environment, Social, Governance) finden großes Interesse bei den Stakeholdern, vor allem auf den Finanzmärkten zur Einschätzung der nachhaltigen Produktion.

So bilden die erhobenen ESG-Daten und die daraus abgeleiteten Ziele und Fortschritte einen großen Bestandteil des nichtfinanziellen Berichts (siehe CSRD).
Lieferkettensorgfaltspflichten-gesetz (LkSG) 
Wertschöpfungsketten in der Metallbranche sind mittlerweile verzweigt, komplex und global aufgestellt. Viele Prozesse im Laufe der Herstellung eines Produkts finden nicht in der EU, sondern in Regionen statt, die nicht immer die europäischen Standards und Gesetze aufweisen.

Daher ist es wichtig zu prüfen, inwieweit sowohl die Menschenrechte als auch der Umweltschutz in den besagten Regionen eingehalten werden. Diese Überprüfungspflicht wird auf der nationalen Ebene im Rahmen des LkSG von den Unternehmen gefordert.
Nationale Gesetze 
Neben Deutschland haben auch andere Länder Gesetze zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten eingeführt. Unter anderem gibt es das French Duty of Vigilance Law, den Dutch Child Labour Due Diligence Law und den Norwegian Transparency Act.

Je nach Sitz der eigenen Unternehmen oder dem der Kunden müssen die jeweiligen Unternehmen eine Vielfalt an verschiedenen nationalen Gesetzen erfüllen.
Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) 
Für eine einheitliche Regulierung auf EU-Ebene ist ein europäisches Gesetz zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der Erarbeitung.

Im Vergleich zu den anderen Gesetzen soll die CSDDD voraussichtlich bereits für Unternehmen ab 250 Beschäftigten gelten und noch weitere Themen wie die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens umfassen.
EU-Konfliktrohstoffverordnung 
Sobald Unternehmen die Konfliktrohstoffe Zinn, Wolfram, Tantal und Gold in einer gewissen Menge in die EU importieren, fallen sie unter die EU-Konfliktrohstoffverordnung.

Im Fokus der Verordnung liegen der Nachweis zum Ursprung des Materials und dessen Analyse auf Konfliktpotential – unter anderem im Bereich Menschenrechte.
Battery Regulation
Neben der Festlegung von Grenzwerten für Batterien und Akkumulatoren schreibt die Verordnung die Berichterstattung über die Verpflichtung zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der gesamten Wertschöpfungskette für Batterien vor.
Kundenanforderungen
Aufgrund der Größe müssen Kunden meist noch mehr Gesetze erfüllen, sodass auch diese verpflichtet sind, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen und ihre Wertschöpfungskette auf Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes hin zu überprüfen.

Dazu werden die Lieferanten anhand von umfangreichen Fragebögen wie dem SAQ 5.0 und Drittaudits wie EcoVadis bewertet. Dementsprechend unterliegen Lieferanten großer Kunden neben der Gesetzesanforderungen auch den Kundenanforderungen.
Henry Sobieraj
Geschäftsführer, Managing Director,
Nickelhütte Aue GmbH

„Für uns gibt es keine
Abfälle, nur Rohstoffe.“

Kurzinterview
Inwiefern nehmen Sie die zunehmende Gesetzeslage im Nachhaltigkeitsbereich wahr, auch wenn Sie bei vielen Gesetzen momentan noch nicht direkt von der Umsetzungspflicht betroffen sind? Stellen Sie eine Weitergabe der Umsetzungspflichten durch Stakeholder wie Kunden oder Lieferanten fest?

Henry Sobieraj: Wie in allen Wirtschaftsbereichen ist es auch in unserer Branche von enormer Wichtigkeit, sich frühzeitig auf sich abzeichnende Änderung einzustellen. Wir versuchen, stets zu agieren und nicht nur zu reagieren. Auch wenn wir aktuell noch nicht direkt betroffen sind, möchten wir die verbleibende Zeit nutzen und uns bestmöglich vorbereiten. 

So beschäftigen wir uns im Moment mit Themen aus dem Gebiet der Lieferkettensorgfaltspflicht und der nichtfinanziellen Berichterstattung.

Das dabei erarbeitete Wissen hilft uns unter anderem bei der Bearbeitung von Anfragen unserer Stakeholder zu unserer Lieferkette, beispielsweise der Beantwortung von Checklisten großer Automobilisten oder den «ganz Großen» aus der chemischen Industrie, die ihre Pflichten an die vorgelagerten Beteiligten weitergeben.  

Wie gehen Sie in der Nickelhütte Aue mit den gestiegenen Anforderungen um?

Henry Sobieraj: Sich im Alltagsgeschäft mit derartigen Themen zu beschäftigen, fällt sicher vielen Unternehmen auf Grund optimierter Strukturen schwer, so auch der Nickelhütte Aue. Daher ist es gut, starke Partner an seiner Seite zu wissen, die sich auskennen. 

In unserem Falle ist es MARS – Metal Alliance for Responsible Sourcing – Ein Projekt der WVMetalle Service GmbH.

Gemeinsam arbeiten wir an Themen der CSR. So entstand ein allen Anforderungen entsprechender Code of Conduct für die Jacob Metal Group sowie deren Mitglieder. Auf Grund der positiven Erfahrungen bestreiten wir auch weiterhin den Weg im Nachhaltigkeitsbereich mit MARS.

„Ressourcen sind endlich. Unsere Ideen nicht.“

Wo sind Sie bereits in Nachhaltigkeitsdingen engagiert? Sie haben ja zurecht den Nachhaltigkeitspreis erhalten. Wieso ist Nachhaltigkeit für Sie wichtig?

Bei der ersten Teilfrage muss ich auf Grund unserer vielfältigen Unternehmensausrichtung etwas weiter ausholen. Durch das Recycling von NE-Metallen, Edelmetallen und Elektronikschrotten werden jährlich Millionen Tonnen CO₂ vermieden. Die Nickelhütte trägt dazu bei, die Umweltbilanz entscheidend zu verbessern und wertvolle Ressourcen weltweit zu erhalten. Durch die konsequente Anpassung der Prozesse an die weltweit anfallenden Abfälle ist die Nickelhütte Aue schon seit 2011 in der Lage, Lithium-Ionen-Batterien aus dem Automotivsektor zu recyceln. Heute gehört die Nickelhütte in Europa zu den größten Recyclern von Lithium-Ionen-Batterien aus dem Automobilbereich.

Neben der Steigerung von Verarbeitungskapazitäten spielt auch die Erhöhung der Recyclingquote und Recyclingtiefe eine herausragende Rolle. Dadurch, dass Recyclingprodukte im direkten Kreislauf zwischen dem Auftraggeber und der Nickelhütte gehalten werden, minimieren wir den Transportaufwand und ermöglichen so eine ganzheitliche, effiziente und klimaschonende Recyclingdienstleistung.

Die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit für die Nickelhütte Aue sowie für die gesamte Jacob Metal Group lässt sich in unserer Vision und Mission erkennen. Unsere Vision: Ressourcen sind endlich. Unsere Ideen nicht. Durch konsequente Optimierung der Recyclingtiefe begegnen wir dem globalen Abbau von begrenzten natürlichen Ressourcen mit Nachhaltigkeit. Alle unsere Konzepte basieren auf der nahezu unbegrenzten Recyclingfähigkeit von NE-Metallen. So sichern wir den kommenden Generationen die Verfügbarkeit wertvoller Rohstoffe.

Unsere Mission: Für uns gibt es keine Abfälle, nur Rohstoffe. Wir stehen für eine sichere und umweltgerechte Verwertung von NE-Metallen aus Industrie und Handel. Durch fachgerechte Aufbereitung produzieren wir daraus wertvolle Recycling-Rohstoffe und führen diese in den Wirtschaftskreislauf zurück. Wir machen Recycling möglich. Immer und überall.

Zeitachse der Richtlinien und Gesetze

Übersicht der internationalen und europäischen Richtlinien
und Gesetze für eine nachhaltige Unternehmensführung

Die Welt retten kann die Metallindustrie natürlich nicht. Aber sie kann ihren Teil dazu beitragen und der beginnt mit einem offenen Dialog. 

Denise Sabasch CSR- & Nachhaltigkeitsberaterin
Clara Schüttler ESG- / Nachhaltigkeitsberaterin | MARS

Veröffentlicht im November 2023