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Editorial

Herzlichen Dank,
Herzlich willkommen!

Der eine kommt, der andere geht: Die WVMetalle hat seit 10. Oktober 2023 einen neuen Präsidenten – eine gute Möglichkeit, in einem Kurzinterview mit Roland Leder seine Präsidentschaft Revue passieren zu lassen und gleichzeitig mit unserem neuen Präsidenten Gerd Röders einen Blick in Richtung Zukunft zu wagen.

„von  Krisen-bewältigung hin zu einer aktiven Industriepolitik “

Herr Leder, als Sie im Mai 2019 Ihr Amt antraten, war die Welt in vielerlei Hinsicht noch eine andere. 

Roland Leder: Das stimmt! In nahezu allen Bereichen hat sich viel verändert: Eine sich zuspitzende Debatte über Energie- und Klimapolitik, große Diskussionen in Sicherheits- und Verteidigungsfragen und Herausforderungen hinsichtlich unserer Lieferketten und Rohstoffversorgung. Auch wenn die Energie- und Klimapolitik schon damals im Fokus meiner Arbeit als Präsident war. Die Brisanz, die das Themenfeld in den dann folgenden Jahren bekommen sollte, nicht zuletzt aufgrund des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, war so natürlich nicht absehbar. Umso mehr freut es mich, mit welcher Solidarität innerhalb der Branche wir bislang gemeinsam der Energiekrise begegnet sind – Solidarität zwischen den Unternehmen, die schnelle Hilfe brauchen, und denen, die einen geringeren Vorteil aus den gemeinsamen wirtschaftspolitischen Forderungen des Verbandes haben.

Und dieser Zeitenwende, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete, ging ein weiterer gravierender Einschnitt voraus. Wie haben Sie die Zeit der Coronapandemie erlebt?

Roland Leder: Die Pandemie hat – neben den ganz persönlichen Erfahrungen – auch die Nichteisen-Metallindustrie vor immense Herausforderungen gestellt. Rückblickend waren wir alle im Dauerkrisenmodus. Aber wir haben auch gezeigt, wie gut wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen können. Ich erinnere mich da etwa an den engen und vertrauensvollen Austausch trotz räumlicher Trennung und an pragmatische Ad-hoc-Calls über den Bildschirm, in denen sich eine große Solidarität innerhalb der Branche gezeigt hat. Transparenz in der Entscheidungsfindung und ein gutes Miteinander unter den Vertreter*innen der NE-Metallindustrie waren mir von Anfang an sehr wichtig. Es hat sich bewahrheitet, dass durch mehr Austausch und Dialog Gutes entstehen kann. Geprägt von dieser Haltung haben wir nach der Pandemie auch unsere Veranstaltungsformate weiterentwickelt – etwa unseren Parlamentarischen Abend. Aber auch interne Zusammenkünfte gestalten wir neu: Dieses Jahr haben erstmalig die gemeinsamen NEtzwerk-Tage mit zwei unserer Branchenverbände stattgefunden.“ 

Was wünschen Sie dem Verband und Ihrem Nachfolger im Amt?

Roland Leder: Die vergangenen Jahre kann man ohne Übertreibung als Krisenpräsidentschaft bezeichnen. Auch wenn die Herausforderungen nicht kleiner werden, tun wir als Land gut daran, uns von der reinen Krisenbewältigung hin zu einer aktiven Industriepolitik zu bewegen. Diesen Weg müssen wir als WVMetalle ebenso aktiv mitgestalten – im Dialog mit politischen Entscheider*innen und Gleichgesinnten aus der Industrie und Wissenschaft. Hierfür wünsche ich meinem Nachfolger größtmöglichen Erfolg im Interesse unserer Mitgliedsunternehmen.

Herr Röders, Sie übernehmen ein wichtiges Amt in der NE-Metallindustrie in sehr turbulenten Zeiten. Wie kann es gelingen, die Weichen für die Zukunft der NE-Metallindustrie richtig zu stellen?

Gerd Röders: Ich bin ein optimistischer Mensch und gestalte lieber als zu meckern. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, möchte ich dennoch nicht kleinreden. Schon im Jahr 2019 haben die beiden Forschungsinstitute IW Köln und DB Research Alarm geschlagen, dass der Kapitalstock der energieintensiven Industrie in Deutschland erheblich sinkt – seit dem Jahr 2000 um mehr als 16 Prozent für die Metallerzeugung. Die Gründe: hohe Energiekosten, Unsicherheit hinsichtlich künftiger Belastungsbegrenzungen im Bereich Energie sowie hinsichtlich der Energie- und Klimapolitik im Allgemeinen und drohender Handelsverzerrungen. Die Lage hat sich seitdem eher verschlechtert. Insbesondere mit Blick auf die Energiekrise müssen wir rasch handeln. Auch in Sachen Resilienz der Lieferketten müssen wir dringend Fortschritte machen. Ich denke da gerade besonders an den Critical Raw Materials Act, der nun zügig und in konkreten Maßnahmen umgesetzt werden muss.

Sie leiten eine traditionsreiche Gießerei mit rund 500 Mitarbeitenden – klassischer Mittelstand. Wie schaffen es Verbände und Politik KMUs eine Perspektive in Deutschland und Europa zu geben?

Gerd Röders: Mir ist der direkte und authentische Austausch mit der Politik sehr wichtig. Nur so können Politikerinnen und Politiker die realen Sorgen des Mittelstands verstehen und in unserem Sinne handeln. Die Energie- und Rohstoffkosten gefährden unsere Betriebe existenziell – Betriebe, die gerne Verantwortung vor Ort übernehmen, die hier verwurzelt sind und nicht ins Ausland abwandern wollen und es auch nicht können. Diese Unternehmen verdienen Unterstützung, damit sie die gewünschten Veränderungen im Sinne des Klimaschutzes und mehr Nachhaltigkeit mitgehen können. Dafür brauchen wir insbesondere wettbewerbsfähige Energiepreise. Deshalb setze ich mich mit Nachdruck für einen Brückenstrompreis ein.“

Gibt es ein politisches Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Gerd Röders: Die Charakterisierung des Mittelstands als Rückgrat der deutschen Wirtschaft klingt in vielen Ohren bereits ziemlich abgedroschen. Aber es ist wahr: Wir waren und sind immer, insbesondere in Krisenzeiten, ein Stabilitätsanker gewesen und wollen das auch bleiben. Der Mittelstand möchte auch in Zukunft in Deutschland und Europa mit seinen Innovationen tätig sein. Dafür müssen unsere Unternehmen dringend von dem immer enger werdenden bürokratischen Korsett befreit werden. Der Schlüssel dazu liegt aus meiner Sicht im gegenseitigen Vertrauen von Staat und Unternehmen. Wir brauchen hier einen Wandel im Denken: Weg von der Absicherungsmentalität hin zu einer Verantwortungsmentalität auf beiden Seiten. Außerdem engagiere ich mich seit Langem auch im Vorstand des BDI-Mittelstandsausschusses, hier geht es zum Beispiel um die Mittelstandsdefinition, die für die KMU der Nichteisen-Metallindustrie nicht funktioniert. Dieses Engagement möchte ich gerne intensivieren.

„Wir waren und sind immer ein Stabilitätsanker gewesen.“